Für mich macht der Mensch den Unterschied, nicht das Geschlecht
ch komme gerade nach Hause nach einem 80-minütigen Gespräch mit einem 29-jährigen Menschen. Und ich bin dankbar, wie unverklemmt die bisherigen Gespräche ablaufen konnten, dass mir so viel Vertrauen und Interesse begegnet und wir so locker über sehr intime Bereiche sprechen können. Es gibt mir viel Mut zu sehen, dass wir im Gespräch Tabu-Themen angehen und nicht umgehen. Das Gefühl hab ich sonst nicht immer, wenn ich mich in der Öffentlichkeit bewege, wenn ich mir Reklame ansehe und spüre, wie wir stetig “erzogen” werden…. Immer wieder taucht in meinen Gesprächen das Thema „normal“ auf: Was ist denn normal, wie sollten wir denn lieben und uns sexuell ausleben und unsere Liebesbeziehungen führen? Immer wieder die Auseinandersetzung mit dieser Norm und irgendwie ist es doch spannend, an der Norm vorbeizugehen und neue Wege einzuschlagen. Im Gegenteil: Was, wenn die Norm gar nicht mehr existiert? Anyways…. nach dem heutigen Gespräch, in dem sich so viele Dinge, die null der Norm entsprechen, vermischten (trans, poly, beziehungsanarch, Metapartner, Fernbeziehung, asexuell…), bin eher ich komplett aus der Norm gefallen, weil ich gespürt habe, dass es für mich persönlich noch ein langer Weg ist, mich von diesen, von der Gesellschaft festgelegten “Regeln”, was Sexualität und Beziehung angeht, zu befreien… und im Endeffekt dann doch auch irgendwie alles eine Sache der Perspektive. Und ich finde es so wichtig, dass Nischen und Unbekanntes zugelassen werden! Dass wir Platz machen für das, was da raus will, was in uns schlummert.
Dann erneut die enge Verstrickung von Sexualität und Liebe, wie die sexuelle Ausrichtung das Liebesleben beeinflusst und andersherum auch. Bei dem Gespräch mit Alexandra wurde mir klar, wie wichtig es ist, erstmal mit sich selbst zufrieden zu sein, bevor wir uns in eine Beziehung mit einem anderen Menschen begeben. Ihr Trans-Outing war ein wichtiger Schritt, danach war sie bereit… Sie betrachtet sich als Beziehungsanarchistin. Das Wort wird von google docs nicht erkannt (ahaha). Habe gerade einen interessanten Blog über Beziehungsanarchie gefunden: http://beziehungsanarchie.org. Das hier hat mir besonders gefallen: …
5. SEI BEREIT FÜR DIE SCHÖNHEIT DES UNERWARTETEN.
Die Freiheit, spontan zu sein – sich ausdrücken zu können ohne Angst vor den Folgen oder aus einem Pflichtgefühl heraus – ist es, was Beziehungsanarchie ausmacht. Baue deine Beziehungen auf den Wunsch, einander zu begegnen und zu erkunden – und nicht auf Pflichten und Forderungen und Enttäuschungen, wenn diese nicht erfüllt werden.
Damit Alexandra sich vollkommen fühlt, führt sie geschlechsangleichende Maßnahmen durch. Für ihre beiden aktuellen Partner*innen ist das kein Thema, sie wird unabhängig von ihrem Geschlecht geliebt. Für sie bedeutet es jedoch mehr: das lang ersehnte Gefühl, endlich im eigenen Körper angekommen zu sein. In ihrem Fall hat die Liebe diesen Schritt beschleunigt und unterstützt.
Ich bin da also durch unser Gespräch in eine (mir vollkommen neue) spannende Welt eingetaucht und stelle fest, wie es mich verunsichert, wie ich nicht möchte, dass ich mich falsch ausdrücke aufgrund von Unwissenheit und Unerfahrenheit. Ich möchte nicht verletzen. Und ich bin sehr berührt, wie Alexandra mir so viel Platz für diese Unwissenheit gegeben hat, sie bot mir Platz für Neugier. Ich durfte sie alles fragen, es gab kein “richtig und falsch”. Es ist nur so wichtig zu sprechen, Fragen zu stellen, sich auseinanderzusetzen. Das war ein wichtiges Gespräch für mich, das viele neue Gedanken in mir ausgelöst hat. Als ich dann nach Hause kam, hab ich mich mit meinem zwölfjährigen Sohn darüber unterhalten. So wichtig, dass wir auch mit jungen Menschen unbefangen darüber sprechen.
Hör das ganze Gespräch:
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